Angersbach (eig). Seit einem Monat läuft das neue Ausbildungsjahr 2023/24. Auch bei der Anlagenbau Günther GmbH war am 1. August Ausbildungsstart. Sieben Auszubildende und zwei Praktikanten haben ihre Berufsbildung bei dem in Angersbach ansässigen Maschinenbauer für Recycling-Technik begonnen. Dass damit alle Ausbildungsplätze im Betrieb besetzt sind, ist in der heutigen Zeit des Fachkräftemangels keine Selbstverständlichkeit. Anlagenbau Günther setzt auf den eigenen Nachwuchs: Von den 145 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind 22 Auszubildende. Zu den jungen Menschen, für die Anfang August bei der Wartenberger Firma ein neuer Lebensabschnitt begonnen hat, gehören auch Pauline Faust und Maike Bernges.
Ihren Ausbildungsplatz haben sich beide nicht rein zufällig ausgesucht. „Ich habe hier schon mein Jahrespraktikum gemacht“, erklärt die 19-jährige Pauline Faust aus Müs, die bei Anlagenbau Günther eine Ausbildung zur Mechatronikerin begonnen hat. Schon während des Praktikums hat sie in alle Abteilungen der Firma „hineingeschnuppert“ und sich am Ende dann für den gewählten Beruf entschieden. Ihre Mitauszubildende, die 18-jährige Maike Bernges aus Wernges, ist über die Agentur für Arbeit und die Berufsberatung an ihrer Schule auf ihren jetzigen Ausbildungsplatz als technische Produktionsdesignerin für Anlagen- und Maschinenkonstruktion aufmerksam geworden. Vor allem gibt es aber einen familiären Bezug. „Mein Vater arbeitet hier“, sagt Maike Bernges, die aus diesem Grund die Werkshalle schon als Kind immer wieder einmal von innen gesehen und naheliegend dort auch ihr Praktikum absolviert hat.
Einen Sprung ins kalte Wasser stellte der Start ins Ausbildungsleben für Pauline Faust und Maike Bernges somit nicht dar – auch deswegen, weil am Beginn zunächst einmal eine von Anlagenbau Günther eigens konzipierte Einführungswoche stand. Hier nahmen nicht nur die sieben neuen Azubis und Azubinen sowie die beiden Praktikanten des neu begonnenen Ausbildungsjahres teil, sondern ganz bewusst auch die übrigen Auszubildenden der Firma. „Wir sind zum Teambuilding in den Escape Room nach Fulda gefahren. Für unsere technischen Azubis stand darüber hinaus eine Einführung in der Lehrwerkstatt auf dem Programm“, berichtet Lea Dahmer, die bei Anlagenbau Günther für den Bereich Ausbildung zuständig ist. Ins kalte Wasser geworfen werden hätten die angehenden Fachkräfte hierbei höchstens unabsichtlich beim ursprünglich vorgesehenen Programmpunkt: Der sah eine Kanu-Tour auf der Fulda vor, musste aber witterungsbedingt durch den erwähnten Escape Room ersetzt werden.
„Ich bin sehr gut in den Beruf gestartet und wurde richtig herzlich aufgenommen. Auch wenn man zum Anfang mal fünfmal nachgefragt hat, wie etwas funktioniert, war das kein Problem“, zieht Pauline Faust somit eine erfreuliche Bilanz ihres ersten Monats. Das findet auch Maike Bernges, für die es nach der Einführungswoche bei Anlagenbau Günther zunächst ins Büro ging, wo sich auch schon technische Zeichnungen machen durfte. „Ich konnte da schon sehr eigenständig arbeiten, was ich cool fand“, so Maike Bernges. Aktuell ist sie betriebsintern für acht Wochen im „Praktikum“ in der Montage und Produktion der Firma. „Damit man auch in der Praxis sieht, was man konstruiert. Man sitzt nicht einfach rum, das ist schon richtig so“, meint sie.
Bei der Eingewöhnung in den Arbeitsalltag kam den beiden jungen Frauen wiederum der persönliche Bezug zupass. „Ich bin es ja von zuhause her schon gewöhnt, dadurch dass mein Vater in der Metallbaubranche ist, und durch meine zwei Brüder. Ich kenne es von klein auf“, so Pauline Faust. „Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen und von klein auf mit Technik vertraut“, pflichtet Maike Bernges hier in ähnlicher Weise bei. „So etwas liegt meist schon in den Genen“, meint Lea Dahmer schmunzelnd zum Hintergrund vieler Auszubildender von Anlagenbau Günther. In diesem Jahr bilde man zwar nicht in allen sechs möglichen Ausbildungsberufen aus, könne aber dennoch alle Ausbildungsplätze besetzen. Drei Auszubildende bei Anlagenbau Günther sind 2023/24 weiblich.
„Wir sind sehr zufrieden mit unserem ‚Fang‘. Wir durften beide vorher schon kennenlernen, weil wir mit Praktika arbeiten“, ist Lea Dahmer voll des Lobes über Pauline Faust und Maike Bernges. Beide stehen mit ihrem Weg, der sie zum Wartenberger Maschinenbauer geführt hat, nicht allein da. „Neunzig Prozent unserer Auszubildenden haben vorher schon einmal ein FOS-Praktikum oder einen Ferienjob bei uns gemacht“, berichtet Lea Dahmer. Auf der Lauterbacher Fachoberschule hätten viele zuvor die Berufsfelder Metall- und Elektrotechnik, aber auch Wirtschaft und Verwaltung, absolviert. Inzwischen seien von dort aus in Eigeninitiative von Lehrkräften der FOS Kontakte geknüpft worden. „Die Lehrer dort kennen ihre Unternehmen“, so Lea Dahmer.
Die Azubi-Akquise an sich stelle sich auch für die Firma Günther nicht als einfaches Thema dar. „Aber dadurch, dass wir überall am Start sind, finden wir am Ende doch diejenigen, die wir brauchen“, meint Lea Dahmer. Der Auftritt auf digitalen Plattformen wie Instagram gehört bei Anlagenbau Günther ebenso dazu wie die analoge Vor-Ort-Präsenz auf Ausbildungsmessen, wobei das regionale Format „Check Dein Job“ (in diesem Jahr am 29. September von 15 bis 19 Uhr im „Wartenberg Oval“) die wichtigste Messe ist. Hier stehen dann auch Auszubildende aus dem zweiten Lehrjahr bereit, um ihre Erfahrungen auf Augenhöhe an die nahezu gleichaltrigen potenziellen Interessierten zu vermitteln.
Und wer sich am Ende für Anlagenbau Günther entscheidet, könnte hier am Ende den vielzitierten Job fürs Leben finden. Denn, so Lea Dahmer: „Wir bilden grundsätzlich aus mit dem Ziel, unsere Auszubildenden auch zu übernehmen“. Eine Weiterbildung könne auch innerhalb der Firma stattfinden und es sei auch möglich intern den Ausbildungsberuf zu wechseln.
Mit ihrem Entschluss zur Ausbildung bei Anlagenbau Günther haben sich Pauline Faust und Maike Bernges anders entschieden als eine knappe Mehrheit der gleichaltrigen Schulabgängerinnen und -abgänger heutzutage, die es vorziehen, ein Hochschulstudium zu beginnen. „Meine Familie hat mir geraten, geh weg studieren. Ich wollte aber lieber etwas Praktisches machen und Geld verdienen. Und wenn ich später doch ein Studium anfangen sollte, dann habe ich schon etwas Praktisches, auf dass ich zurückgreifen kann. Beim Studium weiß man nie, ob es überhaupt zu einem passt.“, hält Pauline Faust ihre Entscheidung für die betriebliche Ausbildung für die richtige. Ähnlich äußert sich auch Maike Bernges: „Ich wollte erst einmal Geld verdienen. Von Schule habe ich genug. Die Praxis liegt mir eigentlich lieber. Und im Zweifelsfall kann ich immer noch studieren“.
„Für jedes Unternehmen ist es Gold wert, wenn man eine Ausbildung beginnt“, ist Lea Dahmer überzeugt, dass den jungen Auszubildenden von Anlagenbau Günther mit ihrer Entscheidung beruflich viele Türen weit offenstehen werden. Vor allem aber setzt man bei dem „Hidden Champion“ aus der Gemeinde Wartenberg darauf, einen Fachkräftemangel im eigenen Haus gar nicht erst entstehen zu lassen, indem man attraktiv für den Nachwuchs ist und bleibt und ihn somit am Ende auch halten kann.
Quelle Text: Carsten Eigner